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Gründungsvater der Bergbaugewerkschaft kam verspätet zu sichtbaren Ehren

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Es ist eine nette Anekdote aus acht Jahrhunderten Stadtgeschichte und beschreibt einen absoluten Einzelfall. Dass es mitunter vierzig Jahre dauern kann, bis ein Ausschussbeschluss sichtbar umgesetzt ist, zeigt das Beispiel des Bergbaugewerkschafters August Schmidt. Im Anonymen blieb bis 2022 die Straßenbezeichnung des Verbindungsweges von Dolberger Straße und August-Kirchner-Straße, obwohl schon am 29. Mai 1979 der Planungs- und Bauausschuss für die Benennung nach August Schmidt votierte.

Warum der Weg entlang der Werse vier Jahrzehnte lang ohne Straßenschild blieb, kann auch Christoph Wessels nicht mehr beantworten. „Das wird wohl für immer im Dunkeln bleiben“, mutmaßt der städtische Kulturfachbereichsleiter. Gut erinnern kann er sich jedoch noch daran, wer die Idee zu einem August-Schmidt-Weg in die Welt setzte. 

„Das war Herbert Faust in einer Veranstaltung zur Ahlener Woche 1979.“ Unter großem Applaus, so beschrieb es seinerzeit die Tagespresse, habe Ahlens damaliger Bürgermeister den Vorschlag in einem Festzelt vor Bergleuten gemacht. Sehr schnell waren Politik und Verwaltung, das glühende Eisen zu schmieden. Nur wenige Wochen später empfahl einstimmig der Planungsausschuss dem zuständigen Hauptausschuss, den Fuß- und Radweg im Sinne Herbert Fausts nach dem Gründungsvorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau (IGB) zu benennen. Übrigens in derselben Sitzung, in der auch Penzberger Straße und Teltower Straße zu ihren Namen und Schildern kamen, die mit Baubeginn des Wohngebietes aufgestellt worden waren.

In das öffentliche Bewusstsein kehrte August Schmidt 2022 zurück. Der mittlerweile für Straßenbenennungen zuständige Ausschuss für Ordnung, öffentliche Einrichtungen, Digitalisierung und Anregungen (AfÖ) stellte das Einvernehmen her, die aufzustellenden Straßenschilder mit einem Zusatzschild zu versehen, das Lebensdaten des Namensgebers enthält. Ein SPD-Antrag aus demselben Jahr unterstützte das Ansinnen mit der Begründung, Schmidt habe sich „zu Lebzeiten für die Demokratie und Mitbestimmung eingesetzt.“ Seine Verbindung zur Stadt Ahlen habe sich aus dem Bergbau und dem Gewerkschaftsvorsitz ergeben, so die Antragsteller. 

SPD-Ratsherr Manfred Kreutz findet es schade, dass der DGB-Festumzug zum 1. Mai bislang nicht an einem der Erinnerungsschilder vorbeiführte. August Schmidt sei eine herausragende Persönlichkeit der Arbeitermitbestimmung gewesen, Hartnäckigkeit eine seiner unbestechlichen Eigenschaften. „Unter der Verfolgung in der NS-Zeit zerbrach er nicht, sondern beteiligte sich aktiv am Wiederaufbau des Landes und der Wiederherstellung von Arbeitnehmerrechten“, würdigt Kreutz die unbeugsame Haltung Schmidts. Nach Ausscheiden als Vorsitzender der Gewerkschaft betitelte die Wochenzeitung „Die Zeit“ August Schmidt als den „Nestor der deutschen Arbeiterbewegung“. 

Für AfÖ-Vorsitzenden Ralf Marciniak (CDU) zeigt die Benennung des städtischen Weges, dass unter den politischen Kräften in Ahlen in wesentlichen Dingen häufig mehr Übereinstimmung herrsche, als vielfach angenommen. „Vater der Idee war ein CDU-Bürgermeister, sichtbar machten sie Sozialdemokraten und Stadtverwaltung, das ist doch mal im besten Sinne gemeinsamer Ahlen-Geist.“ 

Über August Schmidt:
August Schmidt kam am 8. Mai 1878 als Sohn eines Bergmannes in Dortmund zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule begann auch er im Bergbau zu arbeiten. 1902 trat er der SPD bei und engagierte sich in der Gewerkschaftsbewegung, wo er schnell leitende Aufgaben auf Bezirksebene übernahm. Ab 1918 gehörte Schmidt allen Verhandlungsgruppen an, bei denen es um den Abschluss zeitgemäßer und für die Arbeitnehmer günstiger Tarifverträge ging. 

In den Jahren 1922 bis 1933 war Schmidt Mitglied des Reichswirtschaftsrates. Er vertrat Deutschland auf zahlreichen internationalen Kongressen und im Internationalen Arbeitsamt in Genf. Von 1928 bis 1933 war er Zweiter Vorsitzender des Bergarbeiterverbandes. Nach der Machtübernahme der Nazis saß er 1933 vorübergehend in „Schutzhaft“. Die Jahre der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft überstand Schmidt als Inhaber einer von alten Gewerkschaftern unterstützten Brotverkaufsstelle in Dortmund-Barop. Im Zuge des Neuaufbaues der Bergarbeitergewerkschaften wurde Schmidt 1946 zum Ersten Vorsitzenden der über 400.000 Mitglieder umfassenden IG Bergbau gewählt. Vorsitzender blieb er bis 1953. Schmidt starb am 7. Juni 1965 im Alter von 87 Jahren in Dortmund.

Heute verbindet sich mit seinem Namen die „August-Schmidt-Stiftung “. Sie hat die Aufgabe, Waisen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Organisationsbereich der IGBCE in Ausübung beruflicher Tätigkeiten tödlich verunglückt, an den Unfallfolgen oder an einer anerkannten Berufskrankheit gestorben sind, Ausbildungsbeihilfen für die Erziehung, Aus- und Fortbildung bis zum 27. Lebensjahr zu gewähren. Anlass zur Gründung der Stiftung war eines der schwersten Grubenunglücke in der Geschichte des deutschen Bergbaus. Am 7. Februar 1962 kamen auf der Schachtanlage „Luisenthal“ im Saarland 299 Bergleute ums Leben. Sie hinterließen 365 Halbwaisen.


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